Samstag, 1. Juli 2006

Pre: 01-07

England hat sich bisher durchs Turnier laviert ohne ein einziges Mal zu überzeugen, Teamchef Eriksson klammert sich an seine eigenen Versprechungen und einzelne Geistesblitze seiner Mannen, die es scheinbar selbst kaum glauben können, noch immer dabei zu sein. Anders Portugal: Die spielten bisher einen ansehnlichen und effizienten Fussball, sind fast schon so was wie ein WM-Geheimtipp, dem es durchaus schmeckt, als solcher kaum beachtet zu werden.

Dann ist da noch die Vorgeschichte: Portugal hat England bei den letzten zwei EMs aus dem Bewerb geschmissen, 2004 in einem legendären Elferschießen. Trainer war auch damals der schlaue Luiz Felipe Scolari, der England obendrein auch bei der WM 2004 als Brasilien-Coach heimschickte. Damit England heute die Revanche gelingt, muss allerdings etwas Besonderes passieren - ich kann mir zwar nicht vorstellen, was, ich kann mir aber dennoch vorstellen, dass es einmal mehr ein enges, spannendes Spiel wird. Zusätzliche Würze: Scolari war als Nachfolger Erikssons im Gespräch gewesen, lehnte das Angebot Englands aber mit dem Hinweis ab, er könnte ja bei der WM auf seinen zukünftigen Arbeitgeber treffen... Tipp: POR-ENG 2:1.

Am Abend liegt es an Brasilien, die Ehre und die WM-Avancen Südamerikas hoch zu halten, denn bei einem Ausscheiden würde der Weltmeister auf jeden Fall aus Europa kommen. Frankreich scheint statt in die Knie zu gehen, jetzt erst richtig in Fahrt zu kommen und sollte zumindest ein echter Prüfstein für die bisher nicht mehr als nötig machenden Brasilianer werden. Man kann gespannt sein, was der regierende Weltmeister heute zu bieten hat. Kann sich endlich auch Ronaldinho einmal in Szene setzen? Können die Franzosen ihrerseits noch einmal das Rad der Zeit zurückdrehen oder haben sie sich gegen Spanien doch zu sehr verausgabt? Vielleicht gibt's mehr Drama als man für möglich hält. Tipp: BRA-FRA 3:2 n.V.

Re: 30-06

Nach den regulären 90 Minuten hab ich mir - weil ich wusste, dass ich erst viel später zum Schreiben kommen werde - diesen Satz notiert: "Das kommt davon, wenn man zu wenig Vertrauen in das eigene Können hat." Das sollte sich bedauerlicherweise bewahrheiten. Argentiniens Match-Loser saß auf der Bank. Im entscheidenden Moment war der sonst so abgezockte Teamchef Jose Pekerman von allen guten Geistern verlassen. Riquelme und Crespo in einem so bedeutungsvollen, noch lange nicht entschiedenen Spiel vorzeitig für Defensivleute zu opfern, ist an sich schon Unfug. Die beiden auszutauschen, unmittelbar nachdem ein unvorhergesehener, verletzungsbedingter Tormannwechsel stattfand, ist blanker Irrwitz. Jeder normale Trainer beobachtet in so einem Fall erst einmal die weitere Entwicklung des Spiels, ehe er Personalentscheidungen trifft. Aber durch die Auswechslungen wurde der ohnehin nur in Ansätzen vorhandene Spielfluss der Argentinier weiter gebrochen und Deutschland erst zu seiner Schlussoffensive eingeladen. Wie zum Hohn glückte Klose direkt nach der Herausnahme von Crespo der Ausgleich - damit wäre plötzlich genau jemand wie Crespo wieder gefragt oder jemand wie Messi als frische Kraft willkommen gewesen. Aber Pekerman war ein ganz schlechter Pokermann - nicht dass er sein Pulver vorzeitig verschossen hätte, er legte am Höhepunkt des Showdowns die Waffe aus der Hand.

Mindestens ebenso rätselhaft blieb auch, warum Argentinien weiter auf Zeit spielte und das Elfmeterschießen als Entscheidung zu suchen schien. Hier der Ersatzgoalie, dort der als Elferkiller bekannte Lehmann? Das konnte nichts werden, und so war auch dieses Elferschießen eine klare Eben-nicht-Glückssache. Argentiniens Franco sah die Bälle erst, als sie im Netz zappelten, während Lehmann auf der Linie präsent, aktiv und unbezwingbar wirkte. Des gleichen trat jeder einzelne deutsche Schütze mit breiter Brust zum Elferpunkt, während Argentinien in einer Alles-oder-nichts-Situation seinen überforderten Wechselspieler Cambiasso ins Feuer schickte.

So wurde ein Spiel - das im übrigen bei weitem nicht hielt, was es versprochen hatte - auf überaus ärgerliche Weise, aber verdientermaßen zugunsten Deutschlands entschieden. Pekerman wußte immerhin danach, was zu tun ist, und trat sofort zurück.

Spiel zwei nicht gesehen. Am letzten Juni ist G-Tag, kann denn darauf niemand Rücksicht nehmen?

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