100 Jahre Schattendasein

Ich hab's selber übersehen, ich kann es also niemandem vorwerfen. Und hab' dann tagelang Daten gecheckt, damit die Geschichte auch was taugt. Also: Vergangenen Montag, am 17.10., wurde die Admira 100 Jahre alt. Registriert wurde das scheinbar nur im Kurier, der Verein selbst hält sich offenbar an die Devise "zu feiern gibt's sowieso nichts".

Es gab ja eine Zeit, so lange her, dass es nicht mehr wahr ist und man es heute kaum mehr glauben kann, da war die Admira richtig, richtig erfolgreich. In den 1930er Jahren war sie nicht nur die beste Mannschaft Österreichs sondern eine der stärksten Europas. In den 13 Saisonen von 1927 bis 1939 wurden sieben österreichische Meistertitel eingefahren, den Cup gewann man damals drei Mal, wobei 1934 im Finale Rapid mit 8:0 abgefertigt wurde - bis heute der höchste Sieg in einem heimischen Cup-Endspiel. Im gleichen Jahr erreichte die Admira, nachdem sie zuvor den AC Napoli, Sparta Prag und Juventus Turin ausgeschaltet hatte, auch das Finale des Mitropacups, dem damaligen internationalen Bewerb der Europabesten (natürlich ist das nicht zu vergleichen, aber allein die Vorstellung: Admira im Champions-League-Finale!). Nach einem 3:2 Heimsieg vor 45.000 Zuschauern (!) im Praterstadion gegen den AGC Bologna verlor man allerdings in Italien mit 1:5.

In der Nationalmannschaft - es war die Ära des Wunderteams - stellte die Admira u.a. das heute noch geläufige Flügelstürmerpaar Schall-Vogl (Anton Schall war fünfmal österreichischer Torschützenkönig). Admiras damals herausragendster Spieler war aber Wilhelm Hahnemann, dessen Position in der Nationalelf jedoch zumeist Austrias Jahrhundertspieler Matthias Sindelar einnahm. Dennoch kam Hahnemann auf 23 Länderspiele, und ab 1938 trat er (im Gegensatz zu Sindelar) auch für das deutsche Nationalteam an, in dem er gleichfalls 23 Auftritte hatte und 16 Tore erzielte.

Wie Rapid so stand auch die Admira in der Nazi-Zeit in einem Endspiel um die deutsche Meisterschaft, wurde jedoch von Schalke 04 mit 0:9 deklassiert. Admiras letzter Titelgewinn datiert aus dem Jahr 1966, mit Meisterschaft und Cup wurde in diesem Jahr sogar das Double geschafft. Bekannteste Spieler damals: Felix Latzke, Günther Kaltenbrunner und Anton Herzog (der Vater von Andi Herzog, der später seine Karriere im Admira-Nachwuchs beginnen sollte). Kaltenbrunner gelang später auch das entscheidende Auswärtstor beim sagenhaften Europacuptriumph über Inter Mailand im Herbst 1973 (1:0 in der Südstadt, 1:2 in Mailand). Und mit insgesamt acht österreichischen Meistertiteln rangiert die Admira hinter Rapid, Austria und Wacker Innsbruck/FC Tirol im all time ranking immer noch an vierter Stelle.

Die Admira hat sich im Laufe ihres Bestehens aus überlebenstechnischen Gründen zweimal fusioniert, zuerst 1971 mit dem Meidlinger Traditionsverein Wacker Wien (österreichischer Meister 1947), 1997 mit dem VfB Mödling, offiziell trägt der Verein heute den Namen "VfB Nordea Admira Wacker Mödling", wobei in Wahrheit von Wacker nichts und von Mödling nur der windige geschäftsführende Präsident und selbsternannte Admira-Lebensretter Hans-Werner Weiss übrig geblieben ist. Dabei entstammt die Admira usprünglich selbst einer Fusion: Aus den Floridsdorfer Vereinen "Einigkeit" und "Vindobona Wien" entstand am 17. Oktober 1905 als Neugründung der "1. Groß-Floridsdorfer FK Admira Wien", der die Vereinsfarben schwarz-weiß und seine Spielstätte in Jedlesee hatte. Heute existiert nur noch jener Platz in der Hopfengasse, auf dem die Admira ab 1933 ihre Heimspiele ausgetragen hatte - die heutige "Leopold Stroh Anlage", wo seit langem der FAC beheimatet ist. In Floridsdorf wurden die Admira-Legenden im übrigen nicht vergessen - nach Hahnemann, Schall und Vogl sind heute dort drei Gassen benannt.

Besonders viele Anhänger hatte die Admira nie, das heute bekannte Mauerblümchendasein fristet sie jedoch erst seit der vom damaligen Hauptsponsor, der NEWAG/NIOGAS, angeordneten Übersiedlung in die Südstadt im Jahre 1967. Durch diese Wahnidee, die dem Trabantenstadtdenken der damaligen Zeit entsprang, blieben die alten Fans fern, neue waren in der nicht gerade fussballfanatischen Region Mödling bis zum heutigen Tag kaum zu begeistern. Auch die 1971 vermeintlich hinzu gewonnenen Wacker-Anhänger zeigten dem Standort Südstadt die kalte Schulter.

Und ab diesem Frühmittelalter der österreichischen Fussballgeschichte gab es für die Admira bestenfalls halbe Erfolge. Etwa den zweiten Platz in der Meisterschaft 1988/89. Nur der FC Tirol unter Trainer Ernst Happel stand damals dem ersten Meistertitel seit 23 Jahren im Weg, ebenso dem ersten Cupsieg: Nach einem 2:0 in der Südstadt und einer 1:0 Führung im Rückspiel ging die Admira am alten Tivoli noch 2:6 unter. Bei der Admira stürmte damals die Torfabrik Rodax-Knaller-Schaub, in der Folgesaison sollten Gerhard Rodax (35 Treffer!) und Walter Knaller (20) sogar die beiden ersten Plätze der Torschützenliste belegen. In dieser Zeit gelangen gegen den damaligen Lieblingsgegner Rapid sechs Siege en suite, gekrönt von einem 4:1 mit vier Rodax-Toren in der Südstadt.

Die Admira war in der ersten Hälfte der 90er Jahre regelmäßig im Europacup vertreten und schlug sich gar nicht schlecht: Im UEFA Cup kam sie 1990 und 1994 bis ins Achtelfinale, Endstation war erst bei zwei Topklubs aus der italienischen Serie A, dem FC Bologna und Juventus Turin. Wobei sich im Falle Bologna die Geschichte wiederholen sollte (siehe Mitropacupfinale 1934): Admiras 3:0-Heimsieg wurde von den Italienern im Rückspiel egalisiert, im Elferschießen hatten sie die besseren Nerven. Dennoch war das 3:0 am 28.11.1990 das begeisterndste Match, das ich persönlich jemals von der Admira gesehen habe. Im Frühjahr des gleichen Jahres stand die Admira sogar im Viertelfinale des Cups der Cupsieger und verabschiedete sich gegen Anderlecht mit Anstand (0:2 a, 1:1 h).

Im österreichischen Cup gelangte die Admira noch zweimal ins Finale, zum Erfolg reichte es nie: 0:1 gegen die Austria (1992), 1:3 gegen Sturm Graz (1996).

Ab Mitte der 90er war's auch mit halben Seligkeiten endgültig vorbei. Aufgrund des Bosman-Urteils erledigte sich die bis dahin lebenserhaltende Vereinspraktik, dank der ausgezeichneten Nachwuchsarbeit Teamspieler heranzuziehen und diese dann Gewinn bringend zu verkaufen (Rodax, Kühbauer, Degeorgi, Zsak, Messlender, Kern usw.). Mit einem Schlag war die Admira dauerhaft abstiegsgefährdet und konkursreif, ein grotesker Überlebenskampf die Folge: 1996 rettete man sich in einem bizarren Relegations-Showdown gegen den SV Gerasdorf (auf eine 3:4-Heimniederlage folgte ein 6:0-Auswärtssieg), 1997 erreichte man die Relegationsspiele nur aufgrund der Auflösung des FC Linz und blieb dabei gegen Vorwärts Steyr erfolgreich. Um den drohenden Konkurs abzuwenden, folgte die Fusion mit dem VfB Mödling - aber 1998 half alles nichts mehr, die "Unabsteigbaren" verbrachten zwei Saisonen in der Zweitklassigkeit.

Seit dem Wiederaufstieg im Jahr 2000 wurschtelt man sich so durch, 2002 entging die Admira einmal mehr nur durch die Auflösung des FC Tirol dem Abstieg, ein sechster Platz in der Saison 2003/04 blieb das höchste der Gefühle, das heurige Desaster mit dem absurd gescheiterten Totalumbau der Mannschaft ist nur ein weiterer Mosaikstein in einer nun schon ein Jahrzehnt währenden Farce. Erschüttern kann einen schon lange nichts mehr.

Legendäre Admiraner der Frühvergangenheit:
(Eigenbauspieler oder solche, deren Profikarriere bei der Admira begann)
  • Willi Kreuz - 56facher Teamspieler, Mitglied der 78er-WM-Mannschaft (Cordoba!), österreichischer Torschützenkönig 1971, spielte später u.a. bei Sparta und Feyenoord Rotterdam, als Trainer Cupsieger mit Stockerau. Heute Trafikant in Alterlaa.
  • Josef Degeorgi - 30facher Teamspieler, Mitglied der WM-Mannschaft 1982, spielte später bei der Austria, heute Trainer beim OMV Stadlau. Der Pepi aus Sooß, den wir "Degerl" nannten, war an allem schuld: Er ging in meine Parallelklasse, in schulinternen Matches hatte ich ihn oft als Gegenspieler (und keine Chance).
  • Gerhard Rodax - 20facher Teamspieler, Mitglied der WM-Mannschaft 1990 (ein Tor), österreichischer Torschützenkönig 1990, spielte später bei Atletico Madrid und Rapid. Ging ins gleiche Gymnasium wie Degeorgi, heute Tennishallenbesitzer in Traiskirchen.
  • Peter Artner - 55facher Teamspieler, Mitglied der WM-Mannschaft 1990 (rote Karte gegen USA), erreichte mit Austria Salzburg 1994 das UEFA-Cup-Finale, spielte später in Spanien bei Hercules Alicante und in Italien bei Foggia. Heute vom ÖFB lizenzierter Spielervermittler.
  • Walter Knaller - Bundesligarekordtorschütze der Admira (123 Treffer), schaffte es nie ins Team, versuchte sich später erfolglos als Admira-Trainer. Heute Nachwuchsbetreuer in der Fussballakademie Linz.
  • Didi Kühbauer - 55facher Teamspieler, Mitglied der WM-Mannschaft 1998, erreichte mit Rapid 1996 das Finale im Europacup der Cupsieger, spielte später bei Real Sociedad und VfL Wolfsburg, immer noch beim SV Mattersburg aktiv.
  • Manfred Zsak - 49facher Teamspieler, Mitglied der WM-Mannschaft 1990, spielte später bei der Austria. Heute Trainer des U16-Nationalteams.
  • Helmut Graf - er war nie im Team, er konnte keinen Hydranten überspielen, aber er war 15 Jahre bei der Admira und nirgendwo anders. In 337 Bundesligaeinsätzen gelang ihm ein einziges Tor - am 19.9.1993 das 2:0 gegen Vorwärts Steyr, wir haben es nicht vergessen! Helmut Graf ist der Admira bis heute als Nachwuchstrainer treu geblieben.
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Die spielten in den letzten 20 Jahren auch für die Admira:

Hubert Baumgartner - war Austrias Elferkiller auf dem Weg ins Europacupfinale 1978, später Rapid-Trainer
Andi Ogris - absolvierte ein "Lehrjahr" bei der Admira ehe er bei der Austria durchstartete
Fred Schaub - schoss Eintracht Frankfurt 1980 zum UEFA-Cup-Gewinn, kam über Borussia Dortmund und Hannover 96 zur Admira, bei einem Autounfall 2003 tödlich verunglückt
Uwe Müller - war deutscher Pokalsieger mit Eintracht Frankfurt
Ernst Baumeister - mit der Austria Europacupfinalist 1978, war auch als Admiraner noch Teamspieler bis ihn Hickersberger in seiner ersten Teamchefära rausschmiss, weil er einen Treffpunkt "vor dem Fernseher verschlief"
Zoran Stojadinovic - ging zu Rapid und wurde dort Torschützenkönig, später in Spanien bei Mallorca
Marko Elsner - Sohn von Branko Elsner, jugoslawischer Teamspieler
Gerald Glatzmayer - Ex-Austrianer, bei einem Autounfall 2001 tödlich verunglückt
Olaf Marschall - war vor der Admira DDR-Nationalspieler, wurde danach gesamtdeutscher Nationalspieler und mit Kaiserslautern deutscher Pokalsieger
Roger Ljung - schwedischer Teamspieler, WM-Dritter 1994, als Admiraner bei der EM 1992, kam vom FC Zürich, ging zu Galatasaray
Ernst Ogris - ein Spiel und ein Tor im Nationalteam, ging zu Hertha BSC Berlin
Ivica Vastic - kam von St. Pölten, ging zum MSV Duisburg, dann erst zu Sturm
Harald Cerny - kam von Bayern München, ging zum FC Tirol und wurde bei 1860 München seßhaft
Genadi Litowtschenko - sowjetrussischer, später ukrainischer Teamspieler, stand im EM-Finale 1988, mit Dnjepropetrowsk und Dinamo Kiew UdSSR-Meister
Laszlo Klausz - ungarischer Teamspieler, ging zu Salzburg, später FC Sochaux
Christian Mayrleb - kam von Ried, ging zum FC Tirol
Alen Orman - ging zu Royal Antwerpen, dann zu Hibernians Edinburgh, heute mit dem FC Thun in der Champions League
Arminas Narbekovas - litauischer Nationalspieler, dort mehrfacher Spieler des Jahres, wurde von der Austria zur Admira abgeschoben
Mario Hieblinger - kam von Stockerau, ging zu Salzburg
Peter Guggi - war Europacupfinalist mit Rapid 1996, ging zu Hibernians Edinburgh
Peter Stöger - Europacupfinalist mit Rapid 1996, kam vom LASK, ging nach Untersiebenbrunn
Rashid Rachimov - russischer Teamspieler, wurde von der Austria zur Admira abgeschoben, ging zum SV Ried, später Admira-Trainer
Thomas Hickersberger - Sohn von Pepi, ein Länderspiel, dabei 7 Minuten im Einsatz
Michi Hatz - Europacupfinalist mit Rapid 1996, spielte in Italien bei Reggiana und Lecce, heute Admira-Pressesprecher
Markus Katzer - heute bei Rapid, Schwiegersohn in spe von Hans Krankl
Fernando Troyansky - wurde von der Austria zur Admira abgeschoben, kehrte aber wieder zur Austria zurück
Zoran Barisic - Europacupfinalist mit Rapid 1996, kam vom FC Tirol, ging nach Eisenstadt
Vladimir Jugovic - der prominenteste Mann aller Zeiten im Admira-Dress spielte zuvor für Roter Stern Belgrad, Sampdoria Genua, Lazio Rom, Juventus Turin, Atletico Madrid, Inter Mailand und AS Monaco, war 1996 Champions-League-Gewinner mit Juventus, 1991 Meistercup-Sieger mit Roter Stern, jugoslawischer Teamspieler, ging in die 2. deutsche Bundesliga zum LR Ahlen
Roland Linz - kam von der Austria, ging nach Nizza
Witalij Astafjew - kam von den Bristol Rovers, noch immer Teamkapitän von Lettland mit über 100 Länderspielen, war als einziger Spieler der österreichischen Bundesliga bei der EM 2004
Vladimir Labant - kam von West Ham, war früher bei Sparta Prag, ging zu Rapid

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