Dienstag, 4. Juli 2006

Pre: 04-07

Italien schießt auch ohne echten Goalgetter Tore, bekommt (wie üblich) keine, hat eine ausgezeichnete (WM-)Bilanz gegen Deutschland und das letzte Aufeinandertreffen im Frühjahr mit 4:1 souverän für sich entschieden - was soll da eigentlich schief gehen?

Deutschland hat sich während der WM in eine Aufwärts-Spirale gezwirbelt, in der Klinsmanns positives Denken und die kollektive Hysterie im ganzen Land wie eine immer stärker greifende Droge wirken, die Bilanz im Lieblingsheimstadion zu Dortmund ist sensationell - was soll da eigentlich schief gehen?

Anything goes heißt es heute im ersten Semifinale. Beide Seiten verbinden auf stringente Weise Vernunft und Leidenschaft, wobei anders als sonst bei Deutschland die Leidenschaft und bei Italien die Vernunft dominiert. Nachdem in solchen Spielen oft der emotionelle Faktor den Ausschlag gibt, Deutschland den Heimvorteil auf seiner Seite hat (und ihn vor allem nicht als Druck empfindet) und die Mannschaft den Eindruck erweckt, als wäre sie nun nicht mehr aufzuhalten, sehe ich da gefühlsmäßig Vorteile für den Gastgeber. Aber Italien ist natürlich alles zuzutrauen. Tipp: GER-ITA 1:0.

Sonntag, 2. Juli 2006

Wr. Stadthalle

stadthalle-altneu300

Die 1958 eröffnete Stadthalle befindet sich genau genommen auf der Schmelz, noch genauer genommen auf dem Areal des ehemaligen Schmelzer Friedhofs. Details und Fotos vom Bau der Stadthalle wie immer in der Wienschau.

Re: 01-07

Was die Engländer bei der WM gezeigt haben, war eigentlich ein Witz. Auch gegen Portugal wurde eine für ein Viertelfinale unwürdige Leistung geboten. Als mit Beckham jener Mann ausfiel, der wenigstens aus Standards noch was retten kann, und Rooney mit der roten Karte seinem Ruf als Hohlkopf hinlänglich gerecht wurde, da wußte man schon, was den Engländern blühen würde, da fiel Coach Eriksson seine an Stürmern arme Kaderzusammenstellung endgültig auf den Kopf, da regierte nur mehr die Brechstange, da wurden Chancen auf derart erbärmliche Weise vernebelt, dass man nicht mehr hinschauen konnte. Das inferiore Elferschießen war nur noch das I-Tüpfelchen auf einer desaströsen Gesamtvorstellung. Bezeichnenderweise versagten mit Lampard und Gerrard gerade jene sonst allzeitverlässlichen Kräfte, an denen sich das englische Team eigentlich aufrichten hätte sollen, bezeichnenderweise machte sich der eigens fürs Elferschießen eingewechselte Carragher vollends lächerlich, als er erst den Pfiff des Schiedsrichters nicht abwartete und im zweiten Anlauf scheiterte. England hat da ein massives Trauma aufgerissen - zum fünften Mal in den letzten 16 Jahren schied man bei einem Turnier im Elferschießen aus. Wenigstens ist somit nun die unselige Ära Eriksson Geschichte. Der Schwede hatte es nie verstanden, aus seiner Ansammlung von Topstars eine funktionierende Mannschaft zu formen - Eriksson und England, das passte nie zusammen.

Zum schwachen Spiel gestern trugen aber auch die glanz- und einfallslosen Portugiesen das ihrige bei. Ohne Deco bewegte sich wenig im Mittelfeld, aus dem einstündigen Überzahlspiel wurde so gut wie gar nichts gemacht und so mußte Torhüter Ricardo im Elferschießen die Kastanien aus dem Feuer holen und zum Helden werden. Gegen Frankreich wird eine deutliche Steigerung nötig sein müssen.

Frankreich! Was für eine Auferstehung! Was für eine Traumperformance des schon abgeschriebenen Zinedine Zidane! Der einstige, mehrfache Weltfussballer stellte seinen Nachfolger Ronaldinho, der für seine Verhältnisse nur Alibipasses zusammenbrachte, auf geradezu beschämende Art und Weise in den Schatten. Zidane hatte sein physisches Alter in der Kabine gelassen und weckte bei den Franzosen den Geist von '98 und 2000. Es war ein Vergnügen, ihm zuzusehen, es war eine Freude, wie die aufgekratzten Franzosen den Gegner mit seinen eigenen Mitteln aushebelten, mit Spielkultur, Lust, Hingabe und Finesse. Und anders als am Tag zuvor bei Argentinien tauschten die Franzosen bei einer 1:0-Führung Stürmer ein, nicht aus. So geht das eben. Demgegenüber ließen die während des ganzen Turniers tapsig wirkenden Brasilianer vorzeitig die Köpfe hängen, sie spürten, dass sie ihren Meister gefunden hatten und nichts mehr zulegen konnten. Zu groß waren wohl die Vorschusslorbeeren, zu erdrückend die Erwartungshaltung und zu hochmütig die Siegessicherheit im eigenen Lager gewesen.

Die Franzosen hingegen rühren ans Herz, meines haben sie endgültig erobert, und damit werde ich wohl nicht alleine sein. Allez Les Bleus!

Samstag, 1. Juli 2006

Pre: 01-07

England hat sich bisher durchs Turnier laviert ohne ein einziges Mal zu überzeugen, Teamchef Eriksson klammert sich an seine eigenen Versprechungen und einzelne Geistesblitze seiner Mannen, die es scheinbar selbst kaum glauben können, noch immer dabei zu sein. Anders Portugal: Die spielten bisher einen ansehnlichen und effizienten Fussball, sind fast schon so was wie ein WM-Geheimtipp, dem es durchaus schmeckt, als solcher kaum beachtet zu werden.

Dann ist da noch die Vorgeschichte: Portugal hat England bei den letzten zwei EMs aus dem Bewerb geschmissen, 2004 in einem legendären Elferschießen. Trainer war auch damals der schlaue Luiz Felipe Scolari, der England obendrein auch bei der WM 2004 als Brasilien-Coach heimschickte. Damit England heute die Revanche gelingt, muss allerdings etwas Besonderes passieren - ich kann mir zwar nicht vorstellen, was, ich kann mir aber dennoch vorstellen, dass es einmal mehr ein enges, spannendes Spiel wird. Zusätzliche Würze: Scolari war als Nachfolger Erikssons im Gespräch gewesen, lehnte das Angebot Englands aber mit dem Hinweis ab, er könnte ja bei der WM auf seinen zukünftigen Arbeitgeber treffen... Tipp: POR-ENG 2:1.

Am Abend liegt es an Brasilien, die Ehre und die WM-Avancen Südamerikas hoch zu halten, denn bei einem Ausscheiden würde der Weltmeister auf jeden Fall aus Europa kommen. Frankreich scheint statt in die Knie zu gehen, jetzt erst richtig in Fahrt zu kommen und sollte zumindest ein echter Prüfstein für die bisher nicht mehr als nötig machenden Brasilianer werden. Man kann gespannt sein, was der regierende Weltmeister heute zu bieten hat. Kann sich endlich auch Ronaldinho einmal in Szene setzen? Können die Franzosen ihrerseits noch einmal das Rad der Zeit zurückdrehen oder haben sie sich gegen Spanien doch zu sehr verausgabt? Vielleicht gibt's mehr Drama als man für möglich hält. Tipp: BRA-FRA 3:2 n.V.

Re: 30-06

Nach den regulären 90 Minuten hab ich mir - weil ich wusste, dass ich erst viel später zum Schreiben kommen werde - diesen Satz notiert: "Das kommt davon, wenn man zu wenig Vertrauen in das eigene Können hat." Das sollte sich bedauerlicherweise bewahrheiten. Argentiniens Match-Loser saß auf der Bank. Im entscheidenden Moment war der sonst so abgezockte Teamchef Jose Pekerman von allen guten Geistern verlassen. Riquelme und Crespo in einem so bedeutungsvollen, noch lange nicht entschiedenen Spiel vorzeitig für Defensivleute zu opfern, ist an sich schon Unfug. Die beiden auszutauschen, unmittelbar nachdem ein unvorhergesehener, verletzungsbedingter Tormannwechsel stattfand, ist blanker Irrwitz. Jeder normale Trainer beobachtet in so einem Fall erst einmal die weitere Entwicklung des Spiels, ehe er Personalentscheidungen trifft. Aber durch die Auswechslungen wurde der ohnehin nur in Ansätzen vorhandene Spielfluss der Argentinier weiter gebrochen und Deutschland erst zu seiner Schlussoffensive eingeladen. Wie zum Hohn glückte Klose direkt nach der Herausnahme von Crespo der Ausgleich - damit wäre plötzlich genau jemand wie Crespo wieder gefragt oder jemand wie Messi als frische Kraft willkommen gewesen. Aber Pekerman war ein ganz schlechter Pokermann - nicht dass er sein Pulver vorzeitig verschossen hätte, er legte am Höhepunkt des Showdowns die Waffe aus der Hand.

Mindestens ebenso rätselhaft blieb auch, warum Argentinien weiter auf Zeit spielte und das Elfmeterschießen als Entscheidung zu suchen schien. Hier der Ersatzgoalie, dort der als Elferkiller bekannte Lehmann? Das konnte nichts werden, und so war auch dieses Elferschießen eine klare Eben-nicht-Glückssache. Argentiniens Franco sah die Bälle erst, als sie im Netz zappelten, während Lehmann auf der Linie präsent, aktiv und unbezwingbar wirkte. Des gleichen trat jeder einzelne deutsche Schütze mit breiter Brust zum Elferpunkt, während Argentinien in einer Alles-oder-nichts-Situation seinen überforderten Wechselspieler Cambiasso ins Feuer schickte.

So wurde ein Spiel - das im übrigen bei weitem nicht hielt, was es versprochen hatte - auf überaus ärgerliche Weise, aber verdientermaßen zugunsten Deutschlands entschieden. Pekerman wußte immerhin danach, was zu tun ist, und trat sofort zurück.

Spiel zwei nicht gesehen. Am letzten Juni ist G-Tag, kann denn darauf niemand Rücksicht nehmen?

Freitag, 30. Juni 2006

Pre: 30-06

Mit dem heutigen Schlager Deutschland-Argentinien wird über die Geschichtsschreibung dieser Weltmeisterschaft (vor)entschieden. Scheidet Deutschland aus, hat der Gastgeber in Wahrheit null erreicht und der Neudeutsche Nationalstolz wird implosionsartig einer großen Leere weichen. Das Selbstbewußtsein der Deutschen ist eher hausgemacht, das Trauma, seit Jahren keine große Fussballnation bezwungen zu haben, wird in diesen Tagen einfach verdrängt, ebenso die Tatsache, dass Argentinien am Weg ins Viertelfinale ganz andere Kaliber als Deutschland aus dem Weg geräumt hat. Wie man Argentinien in Verlegenheit bringen kann, hat Mexiko demonstriert, Klinsmanns Truppe wird sich jedoch eine derart strategische Spielweise nicht erlauben können und besitzt auch nicht die geeigneten (Defensiv-)Spieler dafür. Vernunftmäßig spricht also alles für Argentinien, aber Fussball funktioniert oft genug irrational, um nicht zu sagen "irrnational", was die konkrete Ausgangsposition anbelangt. Reason is treason - Zweifel sind im deutschen Lager verboten, entscheidend wird heute sein "was passieren in Platz". Tipp: GER-ARG 1:3 n.V.

Das Abendspiel steht heute gänzlich im Schatten des mutmaßlichen WM-Highlights am Nachmittag, deshalb nur in aller Kürze: Dieses Spiel riecht nach einem 1:0 - es muss ja nicht immer ein Elfer in letzter Sekunde für Italien sein, und die Ukraine ist ohnehin viel zu weit gekommen. Tipp: ITA-UKR 1:0.

Mittwoch, 28. Juni 2006

Freihaus revisited

freihausnaschmkt-altneu

Noch ein Foto mehr vom Freihaus, auf dem auch der alte Naschmarkt im Bereich Wiedner Hauptstraße/Karlsplatz gut zu sehen ist. Dieses ursprüngliche Areal des Naschmarkts wurde 1919 nach dem 1. Weltkrieg aufgelassen.

Dienstag, 27. Juni 2006

Re: 27-06

Irgendwann hab ich mich gefragt, wie's Ghana eigentlich geschafft hat, soweit zu kommen. Vorne probiert man's immer nur mit lauwarmen Weitschüssen, die ganze WM schon, und hinten mit einer Abseitsfalle, die nicht funktioniert. Und das gegen Brasilien. Offensiv stereotyp, defensiv uneinsichtig bis zur 90. Minute, dazu ein dodelhaft eingehandelter Feldverweis. So blöd spielen nicht einmal die Unsrigen. Mir sind die ganzen vorurteilsbehafteten Klischeeurteile über afrikanische Mannschaften zutiefst zuwider - aber bei den Ghanaern besteht echt noch viel Nachholbedarf, was Grundsätzliches anbelangt. Denn in Wahrheit konnten sie froh sein, dass Brasilien die zweite Hälfte als Trainingskick absolvierte und zum Schluß Chancen verschluderte. Das Gefasel des ORF-Heinis von einem "zu hoch ausgefallenen" brasilianischen Sieg zeigt nur, wie ahnungslos diese Leute sind. Ze Roberto versuchte einmal den Tormann aus 60 Metern zu überheben, und am Ende wollten alle nur mehr Cafu sein allererstes WM-Tor ermöglichen - sowas erlaubt man sich nur, wenn man den Gegner zum Sparringpartner zurechtgestutzt hat.

Brasilien steht also mit vier Siegen und 10:1 Toren im Viertelfinale und wirkt zusehends unterfordert. Welche Idioten im Publikum nehmen sich eigentlich das Recht, diese Mannschaft auszupfeifen? Die privilegierten Geldschweine, die ihre Matchkarte aus der Unternehmensportokasse zahlen?

Am Abend, das war ein gutes und prickelndes Spiel von zwei guten Mannschaften, das kann man so einfach sagen. Die Spanier begannen schwungvoller, im guten Sinne jungdynamischer, und als die Elferführung fiel, hätten wohl nur wenige mehr an Frankreich geglaubt. Nicht so die Franzosen selbst, die eigentlich von Beginn an engagierter als jemals zuvor bei dieser WM gewirkt hatten. Gerade in dieser Situation konnte sich die Mannschaft an ihren Leitfiguren Vieira und Zidane aufrichten. Letzterer legte sich ordentlich ins Zeug, hatte sich zumindest einen Abschied mit Bravour vorgenommen - und diesmal sollte ihm auch die Luft nicht ausgehen. Als Vieira die Wende gelang und Zidane am Ende höchstpersönlich für die Entscheidung sorgte war nicht nur meine anfängliche Pro-Spanien-Stimmung längst so gekippt wie das Match selbst - und als der große, alte Zinedine und der patscherte, aber heute gleichfalls tolle Barthez Arm in Arm vom Spielfeld gingen, da war ich echt gerührt. Ja, die WM ist angekommen, sie macht jetzt Spass und geht unter die Haut, mehr davon!

Und die einmal mehr unglücklichen Spanier sollen sich trösten, die sind in zwei Jahren im besten Alter und werden bei "unserer" EM noch viel Freude bereiten.

Pre: 27-06

Schon ist der letzte Tag des Achtelfinales erreicht, und man muss sich vergegenwärtigen: Brasilien gegen Ghana, das ist das letzte Spiel dieser WM, bei dem noch eine Top-Sensation möglich ist, sonst steht bereits heute nachmittag fest, dass wir eine Weltmeisterschaft ohne Umstürze, ohne nachhaltige Erschütterung der bestehenden Machtverhältnisse erlebt haben (außer die Ukraine wird Weltmeister, aber daran wollen wir besser gar nicht denken).

Aber kann man Außenseiter Ghana eine Überraschung zutrauen, muss ausgerechnet der regierende Weltmeister daran glauben, damit Deutschland '06 doch noch zur WM Afrikas wird? Ich glaube, das wird's nicht spielen. Brasilien hat sich bis jetzt von Mal zu Mal gesteigert und kann in dieser Turnierphase nicht nur die höhere kollektive wie individuelle Klasse sondern auch die wesentlich höheren Erfahrungswerte auf diesem Level als Guthaben für sich verbuchen. Ghana wird entweder zu viel oder zu wenig Respekt zeigen, beides spielt den Brasilianern in die Hände. Tipp: BRA-GHA 3:1.

Für Frankreich sollte am Abend Endstation sein. Die Franzosen quälten sich ins Achtelfinale, Spanien spielte vergleichsweise unbeschwert, attraktiv und angriffslustig. Hier trifft Zukunft auf Vergangenheit, und nur wenn den Franzosen ein letztes Aufbäumen gelingt, sollten sie das Rad der Geschichte noch einmal zurückdrehen können. Es liegt an Spanien, die Weichen zu stellen. Tipp: ESP-FRA 2:1.

Montag, 26. Juni 2006

Re: 26-06

Was für ein Ende dieses Spiels! Ich hab schon manches erlebt bei einer Weltmeisterschaft, aber an einen entscheidenden Elfer in der letzten Sekunde der regulären 90+5 Minuten kann ich mich nicht erinnern. Klar hat das Fabio Grosso mit aller italienischer Gerissenheit gemacht, indem er Australiens Verteidiger Neill als Stolperstein gebrauchte, um zu Fall zu kommen. Aber das kann man schon pfeifen. Elferschütze Francesco Totti, vor vier Jahren Sündenbock beim Ausscheiden gegen Südkorea, konnte damit doch noch zum WM-Helden werden. Für die einmal mehr beherzten Australier war es ein bitteres Ende, aber man muss dazusagen: Man darf eben nicht in Gedanken schon in der Verlängerung sein, schon gar nicht gegen Italien, das in dieser Situation wohlgemerkt mit einem Abwehrspieler im gegnerischen Strafraum war! Und obwohl Australien nach der roten Karte für Materazzi fast die ganze zweite Hälfte lang einen Mann mehr auf dem Platz und ein nummerisches Übergewicht im Mittelfeld hatte, merkte man wenig davon, da die Italiener ihre Rollen geschickt neu verteilten und die Australier mit dem ungewohnten deutlichen Plus an Ballbesitz wenig Konstruktives anfangen konnten. Nüchtern betrachtet war es in einem relativ ausgewogenen, taktisch interessanten Formationsspiel ein glücklicher, aber nicht unverdienter Sieg Italiens.

Abends Schweiz-Ukraine - zwei Mannschaften, die es besser verstehen, das Spiel der anderen Seite zu unterbinden als selbst gestalterisch tätig zu werden und Kreativität allenfalls im Herausholen von Standardsituationen entwickeln. 90 Minuten lang war also - abgesehen von je einem Lattentreffer - gegenseitiges Neutralisieren auf allerdings eher mäßigem Niveau angesagt. In der Verlängerung nach anfänglichen Vorteilen für die Schweiz das gleiche Bild - aber im Grunde roch es schon viel früher nach Elferschießen.

Und in dem warfen die Schweizer in einem Akt kollektiven Versagens die Nerven weg wie nur was. Knackpunkt war der erste verwandelte Elfmeter der Ukraine. Nachdem zuvor ausgerechnet Superstar Schewtschenko kläglich vergeben hatte (und auch Streller für die Schweiz gescheitert war), kam Artem Milewskij an die Reihe. Der 21-jährige, der erst kurz vor Ende der Verlängerung eingewechselt worden war und erst gegen Saudi-Arabien sein (Kurz-)Debüt für die Ukraine gegeben hatte, verwandelte mit einem dreisten Edelschupfer Marke Panenka. Mit diesem tollkühnen Geniestreich hatte der junge Mann nicht nur die Schweizer Handwerker um ihre Contenance gebracht, nicht nur seinen Kapitän gerettet, sondern vor allem den noch wartenden Kameraden gezeigt: Was habt's ihr, geht eh ganz einfach! Der Rest war fast nur noch Formsache.

Oleg Blochin hatte mit der sicher nicht grundlosen Einwechslung Mileweskijs ein Trumpfas ins Spiel gebracht. Blochin selbst besaß nicht die Nerven seiner Spieler: Während des Elferschießens versteckte er sich in der Kabine, als er zum Triumph zurückgeholt wurde, war der ukrainische Feldherr sowohl einem Schwächeanfall als auch den Tränen nahe, das Bild werd ich nicht vergessen.

Ohne ein Gegentor und also auch ohne eine Niederlage bei der WM zu kassieren, müssen die Schweizer nun als tragische bis tragikomische Helden heimfahren - aber wie alle der bisher verabschiedeten Mannschaften brauchen auch sie daheim keinen unfreundlichen Empfang befürchten.

Pre: 26-06

Italien wird es heute nicht leicht haben mit den Australiern, die keine weichen Knie bekommen, nur weil sie gegen einen dreifachen Ex-Weltmeister antreten. Die Australier sehen sowas als Herausforderung, sie sind gut drauf und sie werden sich nach Leibeskräften gegen das Ausscheiden wehren. Gewinnen und aufsteigen wird trotzdem Italien. Warum? Weil die Italiener die Italiener sind. Und die sind seit 22 WM-Spielen nur im Elferschießen gebogen worden. Tipp: ITA-AUS 2:0.

Am Abend halt ich zur Schweiz wie noch nie. Die Nachbarn sollen ins Viertelfinale, schon allein, um unseren Fadgas verströmenden Ösi-Fussballentscheidungsträgern ("wir sind nur ein armes, kleines Land und wir werden nie was reißen") einen Denkzettel zu verpassen. Die Ukraine ist bei mir unten durch, siehe hier. Aber heute ist ein neues Spiel, und es ist echt perfid, dass die Ukraine gegen Tunesien de facto Kräfte sparen konnte. Aber wenn die Schweiz Schewtschenko im Griff hat (der bis jetzt ohnehin sehr wenig gezeigt hat), sollte das reichen. Tipp: SUI-UKR 1:0.

Sonntag, 25. Juni 2006

Re: 25-06

Mit derart vielen Klassespielern in den Reihen solch einen elenden Hundskick hinzulegen, wie England das tat, das ist schon eine Kunst. Man muss kein Vertreter der englischen Yellow Press sein, um Sven Erikssons Angsthasentaktik mit einem eben erst auskurierten Wayne Rooney als einzigem Stürmer zu zerzausen. Sich allein auf die Kunstschüsse David Beckhams zu verlassen, das ist einfach zu billig. Ecuador beschränkte sich noch dazu darauf, gute Figur zu machen und unternahm nach dem 0:1 keine ernsthaften Bemühungen, um das Spiel noch zu drehen. Mit diesem würdelosen Einzug ins Viertelfinale hat England wohl nicht nur bei mir Sympathien verspielt.

Mir macht das üble Laune, dass die Holländer ausgeschieden sind, und mir geht das auf den Geist, wenn sich ein Schiri in den Mittelpunkt stellen will, wie das gerade eben der Fall war. Okay, das Match war aufgeheizt und emotionell, aber so was kommt im Fussball vor und da war nicht viel, was über das Handelsübliche hinausging, vor allem keine augenscheinlichen Gehässigkeiten. Ein wirklich guter Schiedsrichter verwendet seine Karten, um damit für Ruhe zu sorgen und nicht, um damit seine Macht zu demonstrieren. Und so konnte eine an sich dramatische Partie nie so ein Feuer entwickeln, dass es vollends mitreißend und begeisternd geworden wäre, weil der Spielrhythmus beider Mannschaften immer wieder unterbrochen wurde. Wer weiß, wie sich alles entwickelt hätte, wäre Cocus Volleybombe nicht an der Latte sondern im Tor gelandet. Aber der Ball war eben nicht drin, und statt über Einzelaktionen zu hadern, sollte man das Gesamte sehen:
* Es sind schon bessere holländische Mannschaften nicht viel weiter bei einem Turnier gekommen als dieses Team, das in vier Spielen nie wirklich schlecht, nie wirklich gut gewesen war.
* Es haben umgekehrt portugiesische Mannschaften, die mit mehr Vorschusslorbeeren bedacht worden waren, weniger gerissen als dieses Team, das bisher eine durchgehend reife Leistung und runden Fussball bei dieser WM zeigt.

Ich leide mit den Holländern, aber insgesamt haben sich die Runden gegen die eher Unrunden verdienterweise durchgesetzt. Diese Einsicht lag auch im Blick Marco Van Bastens - und er wird ewig mit dem Vorwurf leben müssen, Ruud Van Nistelrooij in diesem Spiel nicht zum Einsatz gebracht zu haben.

Pre: 25-06

England ist heute zum Siegen verdammt, während Ecuador auch bei einem (ehrenhaften) Aussscheiden in der Heimat gefeiert werden würde. Die bisherigen Performances beider Teams sprechen zwar eher für eine knappe Angelegenheit, der unbedingte Siegeswille Englands sollte aber den Ausschlag geben. Zudem machte der wieder hergestellte Rooney gegen Schweden bereits einen bemerkenswert fitten und hungrigen Eindruck. Tipp: ENG-ECU 2:0.

Portugal und die Niederlande qualifizierten sich zwar vorzeitig fürs Achtelfinale, beide Teams wirkten dabei aber nicht restlos überzeugend. Obwohl heute die Karten auf den Tisch gelegt werden müssen, erscheint eine lange Zeit abwartende, sich gegenseitig neutralisierende Auseinandersetzung nicht unrealistisch. Das erste Tor kann schon vorentscheidend sein, auf jeden Fall aber Leben ins Spiel bringen. Eine äußerst offene Angelegenheit, jeder Ausgang scheint möglich. Tipp: POR-NED 0:1.

Re: 24-06

Hab gestern nur die zweite Hälfte und die Verlängerung von Argentinien-Mexiko gesehen. Erstmals also kam die bisher herausragende Mannschaft des Turniers in Schwierigkeiten und hatte Mühe, dem Gegner ihr Spiel aufzuzwingen. Mexiko war durch die starken Leistungen der Argentinier auf der Hut gewesen und hatte einen fast aus der ganzen Mannschaft bestehenden Abwehrriegel aufgebaut. Der Führungstreffer war zwar rasch egalisiert, aber das lange haltende Unentschieden und die vergeblichen Bemühungen Argentiniens weckten die Zuversicht der Mexikaner, mit ihrer Verhinderungstaktik irgendwie über die Runden zu kommen, und sei es im Elferschießen. Nachdem das Kombinationsspiel Argentiniens nie richtig in Schwung kommen wollte, war es wenig verwunderlich, dass schließlich eine individuelle Glanzleistung in Form des Prachtschusses von Maxi Rodriguez den Ausschlag gab. Mannomann, das war eine Erleichterung! Jetzt also Deutschland-Argentinien im Viertelfinale, das wird was werden, da werden auf einer Seite Tränen fließen müssen.

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